Schulküche-Reportage

Von der regionalen Großküche auf den Esstisch

Köchin kocht Spaghetti
Die Schulküche kocht für 1.200 Kinder - da reicht ein einfacher Topf nicht mehr aus.

Die Schulküche Crailsheim im Klinikum bereitet täglich bis zu 1.200 Essen für die städtischen Krippen, Kitas und Schulen zu. Fertigprodukte finden sich hier nicht - denn das 14-köpfige Team kocht mit frischen Zutaten. Und auch in den Einrichtungen wird darauf geachtet, dass die Kinder sich wie zu Hause fühlen, wenn das Mittagessen auf sie wartet. Wir haben den Weg des Essens auch im Video begleitet.

Die Uhr über dem Durchgang von Kalter Küche zu Großküche zeigt 6.34 Uhr. Seit genau 34 Minuten herrscht hier Hochbetrieb. Servierwagen werden durch die Gänge geschoben, frische Lebensmittel aus den Kühlräumen geholt, überdimensionale Kochlöffel und Schneebesen bereitgelegt. Gearbeitet wird hier quasi untertage – was nicht weiter auffällt, denn die Dunkelheit des frühen Morgens ist ebenso wie die Restmüdigkeit in den Gesichtern der Köche und Küchenhilfen wie weggeblasen, sobald sie die Küchenräume betreten. Im Keller des Klinikums Crailsheim ist es hell und ordentlich: Schöpflöffel hängt neben Schöpflöffel, Gewürze in Großpackungen stehen wie kleine Soldaten nebeneinander und die Behälter und Deckel liegen penibel beschriftet nebeneinander, bereit zum Auffüllen.

Mitarbeiter der Schulküche stehen zusammen
Tanja Kauffmann, Küchenleiterin der Schulküche, verteilt bei der morgendlichen Besprechung die Aufgaben im Team.

Essen für bis zu 1.200 Kinder
Hier, am Standort des Klinikums, wird nicht nur für die Patientinnen und Patienten gekocht, sondern vor allem für Crailsheimer Krippen-, Kindergarten- und Schulkinder. Täglich sorgen 13 bis 14 Mitarbeitende der Schulküche Crailsheim GmbH dafür, dass die Kinder von vier städtischen Krippen, 15 Kindergärten und neun Schulen ein warmes Mittagessen erhalten. 1.000 bis 1.200 Portionen werden dafür frisch gekocht, abgeschmeckt und abgepackt, warmgehalten und per Taxikurier zu den Einrichtungen gefahren. Doch bis es auf den Tischen der Kitas steht beziehungsweise in den Schulen ausgegeben wird, muss in der Großküche einiges passieren.

Die Köche und Küchenhilfen stehen im Halbkreis, es werden Anweisungen zugerufen, Aufgaben verteilt. Schnell ausweichen, als die Mitarbeitenden an ihre Plätze eilen. „Hier geht alles Hand in Hand. Wir haben täglich zwei Menüs für die Kinder und besprechen uns immer vorher kurz, wer was übernimmt. Naja, und dann geht es schon los“, erzählt Tanja Kauffmann, die zwar erst seit etwas über einem Jahr Küchenleiterin der Schulküche Crailsheim GmbH ist, die Räumlichkeiten aber in- und auswendig kennt: 2004 hat sie dort ihre Ausbildung begonnen, 2014 kam die Ausbildereignungsprüfung, 2017 wurde sie Produktionsleiterin und 2020 Küchenmeisterin.


Saisonale Produkte stehen auf dem Menü
Es dampft, es zischt. Zwischen 60 Kilogramm Spaghetti, die in einem 150-Liter-Kessel vor sich hin köcheln, und zahlreichen Bratlingen, die in den Ofen geschoben werden, wabert der Duft von 30 Kilogramm angebratenem Hackfleisch durch die Gänge. Was heute gekocht wird? „Blumenkohl-Käse-Bratlinge mit Erbsengemüse und Kartoffelpüree und Spaghetti Bolognese mit grünem Salat“, kommt wie aus der Pistole geschossen, als Kauffmann im Vorbeigehen die Bolognese rührt. Sie muss es wissen, denn die 36-Jährige ist der kreative Kopf hinter den Speiseplänen. An der Wand in ihrem Büro hängen verschiedene Pläne, Rezeptideen, Ausdrucke und Notizen. „Ich plane immer sechs Wochen voraus, um eine gewisse Abwechslung sicherzustellen.“ Dabei achtet sie auch auf die saisonale Verfügbarkeit bestimmter Lebensmittel: Erdbeeren kommen bei ihr im Winter nicht auf den Tisch, genauso wenig wie Wirsing im Sommer. „Osterbestellung machen im November“ – auch solche Notizen finden sich an ihrer Pinnwand.
6.53 Uhr. Während andere vielleicht gerade aufstehen oder am Frühstückstisch sitzen, herrscht im Untergeschoss des Klinikums geschäftiges Treiben. Töpfe klappern, es wird gerührt, gebacken, gewürzt. Die Edelstahl-Behälter, in die das Essen später abgefüllt wird, werden bereitgestellt. Aber richtigen Lärm? Gibt es nicht: Hier wird hochkonzentriert gearbeitet. Rufe, hektische Anweisungen – Fehlanzeige. Alles, was zu hören ist, sind kurze Unterhaltungen, Absprachen und hier und da mal ein lustiger Spruch im Vorbeigehen.

Großer Herd mit Bolognese
In riesigen Kochtöpfen wird Spaghetti mit Bolognese gekocht.

Allergikerfreundliches Essen mit Attest
Die Schulen und Kindergärten haben täglich zwei Menüs zur Auswahl. Die Menüs werden in Abstimmung mit dem Ressort Bildung & Wirtschaft, Sachgebiet Schulverwaltung, ausgesucht, wobei die Kinder an zwei Tagen die Woche zwischen zwei vegetarischen Gerichten und an den anderen Tagen zwischen Fleisch oder Fisch und Vegetarisch wählen können. Während auf der einen Seite in großen Mengen Kartoffeln gekocht, Spaghetti abgeschreckt und Erbsen gedämpft werden, geht es auf der gegenüberliegenden Seite der Küche etwas beschaulicher zu. Kleine Portionen werden hier angerichtet, spezielle Zutaten stehen bereit, und für jeden Wochentag sind mit bunten Magneten Notizen an der Tafel befestigt: „2x glutenfrei“, „ohne Schwein“, „Kuhmilch“ – die Stichworte verraten, dass hier das Essen für die Kinder gekocht wird, die eine Unverträglichkeit haben oder auf bestimmte Dinge achten müssen. „Nach Vorlage eines ärztlichen Attests werden Unverträglichkeiten oder Allergien berücksichtigt – eine weitere Herausforderung, denn wir müssen auf viele verschiedene Dinge eingehen und die Speisepläne entsprechend anpassen“, sagt Kauffmann.
Wenn nicht gerührt oder angebraten wird, werden Töpfe gespült, Salate vorbereitet oder Behälter eingefüllt. Stillstand? Keine Sekunde lang. „Achtung!“ Das Gefühl, immer ein bisschen im Weg zu stehen, wächst. Auch Tanja Kauffmann ist immer in Bewegung, hilft mal hier, rührt mal dort oder repariert zwischendrin auch mal den streikenden Mixer.  „Eigentlich bin ich ja aus dem Küchendienst raus, mache eher die Planungen und Vorbereitungen. Aber im Krankheitsfall beispielsweise springe ich natürlich immer ein“, sagt sie und geht strammen Schrittes in ihr Büro.

Wärmeboxen für den Transport
Die fertig portionierten Essen werden in Warmhaltebehältern zu den Krippen, Kindergärten und Schulen gebracht.

Abbestellung bis spätestens 7 Uhr möglich
7.01 Uhr: Jetzt ist Eile geboten, denn bis 7.00 Uhr können täglich Veränderungen in der Mengenplanung eingehen. Und genau das checkt Kauffmann nun am PC. „Eigentlich bestellen die Eltern bis spätestens 10.00 Uhr am vorangegangenen Freitag das Essen für die kommende Woche, aber sie können noch bis 7.00 Uhr am Morgen absagen, wenn beispielsweise ein Kind krank ist. Da wird dann auch nichts berechnet“, erklärt die 36-Jährige. Obwohl sie einen eher resoluten Eindruck macht, verrät hier und da ein Zucken ihrer Mundwinkel, dass für sie die Arbeit in der Schulküche nicht nur Stress bedeutet, sondern dass es ihr vor allem auch Spaß macht. Sie nickt, lächelt ein wenig. „Ja, das tut es. Die Arbeit hier ist etwas Besonderes. Wir sind ausschließlich ausgebildete Köche, machen so viel wie möglich frisch und legen großen Wert auf gute, regionale Produkte. Qualität ist uns wichtig.“ Es ist zwar eine Großküche, aber keine lieblose Massenproduktion: Gibt es Pilzsoße, sind die Pilze hinterher auch noch sichtbar. Gibt es Gemüse, dann entweder frisch oder als Tiefkühlware. Auf Suppenpäckchen und sonstige Zusatzstoffe wird weitestgehend verzichtet, und das Fleisch kommt von einem regionalen Anbieter. „Das gibt auch uns beim Kochen ein besseres Gefühl“, so Kauffmann.

Taxifahrer liefert Essen aus
Per Taxikurier bekommen die Crailsheimer Kinder ihr Mittagessen – auch hier im Kindergarten Sterntaler.

Durchgängige Temperaturkontrolle
8.00 Uhr. Pause. Die Spaghetti sind portioniert und stehen bereit, die Erbsen werden warmgehalten, die Bolognese ist abgeschmeckt. Alle Menüs sind größtenteils fertiggekocht – und das innerhalb von zwei Stunden. Der straffe Zeitplan setzt sich fort: Um 9.30 Uhr werden die Portionen für „Essen auf Rädern“ abgeholt, um 10.30 Uhr gehen die Boxen an die Schulen und Kitas raus, um 10.45 Uhr wird die hauseigene Cafeteria beliefert und um 11.10 Uhr haben die Patientinnen und Patienten ihr Essen auf den Zimmern. Für die Schulen und Kitas stehen insgesamt 43 gelbe Warmhalteboxen bereit. Ein Anblick, der zunächst etwas kurios wirkt. Mit langen Kabeln ans Stromnetz angeschlossen, kommt hier sofort der Gedanke an Krankenbetten und medizinische Geräte auf, wo doch die Schulküche an sich eigentlich gar nichts mit dem Klinikum zu tun hat. „Minimäuse“, „Safari“, „Farbenfroh“ – auf jeder Box stehen Namensaufkleber. Dazu eine Liste mit den Speisen, die am Ende enthalten sein sollten – jeder, der ein fertig gekochtes Menü einräumt, hakt die Liste ab. „So behalten wir den Überblick“, sagt Kauffmann. Und wenn zum Schluss etwas fehlt? Tja, dann bricht kurz mal Hektik aus und es werden schnell noch ein paar Bratlinge angebraten – „alles keine Seltenheit“. Kauffmann lacht, dreht sich um und überprüft die Temperaturanzeigen der Boxen. 86 Grad Celsius, 87 Grad, 83 Grad – alles im grünen Bereich.
9:52 Uhr. Kühlraum N_1090. Nachtisch und Salat wird in bereitstehende Thermoboxen gepackt. Aus der Küche im Hintergrund ist eine Mischung aus Unterhaltungen, scheppernden Küchenutensilien und laufenden Wasserhähnen zu hören – die Atmosphäre ist nun, nachdem gekocht ist, spürbar gelöst. Jetzt werden Behälter für den nächsten Tag beschriftet, Mengenplanungen vorgenommen, Menüs vorbereitet, Zutaten geschnippelt – nach dem Kochen ist hier vor dem Kochen.

Kita-Mitarbeiter sprechen mit Kindern
Eva Sterzel, Hauswirtschaftskraft im Kindergarten Sterntaler, und Erzieherin Esther Schlothauer stehen den Kindern beim Essen liebevoll zur Seite.

Mit dem Taxi zur Kita
10.22 Uhr. Richtungswechsel. Statt in Richtung Küche geht es jetzt nach hinten, vorbei an den gelben Boxen, zur Türe. Alle packen mit an, stapeln die Warmhalteboxen übereinander und fahren sie auf Rollwägen zum Ausgang. Dort warten schon drei Taxis. Die Fahrer nehmen die Boxen in Empfang, räumen sie ein – eine Sache von vielleicht 10, 15 Minuten. Kofferraumklappe zu, Türen zu. Abfahrt.
11.15 Uhr. Kinderlachen. Im Kindergarten Sterntaler in Roßfeld klingt der Spaß aus allen Räumen. Zur gleichen Zeit hält ein Taxi vor der Eingangstüre. Der Fahrer bringt eine gelbe Warmhaltebox und eine Thermobox zur Türe – beide standen vor nicht mal einer Stunde noch in der Schulküche. Er übergibt sie an Erzieherin Esther Schlothauer und nimmt dafür die Boxen vom Vortag mit – diese kommen vorgespült zurück zur Schulküche und werden dann für den nächsten Tag wieder frisch vorbereitet. Eine Endlosschleife, ein perfekt abgestimmtes System.
In der Kita-Küche räumt Schlothauer das warme Mittagessen aus der Box, steckt ein Thermometer nacheinander in die einzelnen Behälter. „Die Temperatur muss stimmen“, erklärt sie. Ab damit in den Ofen, denn das Ganze wird bis zur Mittagszeit auf über 65 Grad gehalten. Salate und Nachtisch wandern währenddessen in den Kühlschrank.

Junge schenkt sich Soße nach
Die städtischen Kitas verfolgen das Prinzip, das gemeinsame Mittagessen möglichst familiär zu gestalten. Auch selbst schöpfen dürfen sich die Kinder.

Gemeinsam am Mittagstisch
11.45 Uhr. Eva Sterzel betritt ihr Reich – die Kita-Küche. Erster Vorgang: Hände waschen, Schürze an. Hygiene ist hier das A und O. Die 55-Jährige ist Hauswirtschaftskraft und seit 1. Januar 2023 im Kindergarten Sterntaler beschäftigt. Sie strahlt eine Herzlichkeit aus, die kombiniert wird mit professioneller Geschäftigkeit. „Ja, ja – das muss ruckzuck gehen. Ich richte jetzt die Teller und Tassen, schaue, wie viele Warmesser wir haben, ob Kinder krank sind und wer welches Menü bekommt“, erklärt sie, während sie die Tische im Essensraum deckt und Teller, Tassen und Besteck verteilt.
12.00 Uhr. Es ist so weit. Die Reise, die am Morgen im Untergeschoss des Klinikums begonnen hat, nimmt hier ihr Ende. Es wird gebetet, ein Tischspruch aufgesagt, Tee oder Wasser eingeschenkt und dann dürfen sich die Kinder selbst ihre Portionen auf die Teller schöpfen. Braucht ein Kind Hilfe, ist Schlothauer zur Stelle. Es herrscht ein Gefühl von Zuhause, die Atmosphäre am Mittagstisch ist entspannt. Auch Schlothauer füllt ihren Teller und setzt sich zu den Kindern an den kleinen Tisch – der sogenannte pädagogische Happen wurde neu eingeführt und verfolgt das Ziel, die Kinder beim Essen zu begleiten, ihnen den Umgang mit Besteck zu erklären und sie dazu anzuregen, die Speisen zu probieren.

„Setzt euch bitte richtig an den Tisch“ – „wir essen mit Besteck“ – „brauchst du noch einen Nachschlag?“. Es wird sich unterhalten, Neues probiert, das Essen genossen. Währenddessen räumt Sterzel in der Küche alles in die Spülmaschine und bereitet den Nachtisch vor. „Für mich ist das hier durchgetaktet, ich muss wirklich schnell sein. Nach dem Essen geht’s ans Abräumen, Tische wischen, Aufräumen“, sagt sie. Die Kinder trinken aus, kichern und schauen, wer am schnellsten den Joghurt aufisst. Noch die Becher aufgeräumt, Hände gewaschen, und schon flitzen sie in die Gruppenräume davon.

(Erstellt am 01. März 2024)