Bilgorajer Tage

Sich solidarisch gegen die Gleichgültigkeit stemmen

Bürgermeister hält Rede in Polen
Sozial- & Baubürgermeister Jörg Steuler sicherte den Menschen in Bilgoraj und Nowowolynsk weiterhin die Solidarität der Crailsheimer Bürgerinnen und Bürger zu.

Sozial- & Baubürgermeister Jörg Steuler besuchte kürzlich die polnische Partnerstadt Bilgoraj und tauschte sich dort nicht nur mit dem örtlichen Bürgermeister, sondern auch mit dem obersten Bürger der ukrainischen Stadt Nowowolynsk über die derzeitige Kriegssituation aus. Großen Dank gab es an die Crailsheimer Bevölkerung und Unternehmen für die bisherige Unterstützung, die jedoch nicht abnehmen werden darf.

Über zwei Jahre lang konnten aufgrund der Pandemie keine Besuche mehr zwischen den Partnerstädten Crailsheims erfolgen. Umso gespannter war Sozial- & Baubürgermeister Jörg Steuler auf seine Reise, die ihn Mitte Juni nach Bilgoraj führte. Denn für ihn war es der erste Besuch in der polnischen Partnerstadt – und das unter ganz besonderen Voraussetzungen. „‘Solidarnosc‘ war das erste polnische Wort, das ich gelernt habe und war ein Begriff, der von Danzig aus in die ganze Welt ging. Es leitete eine neue Ära in Polen ein“, führte Steuler bei seiner Begrüßungsrede aus und erklärte weiter: „Solidarität bekommt heute eine ganz neue Bedeutung und wird mehr gebraucht denn je. Wir haben wieder eine neue Ära, denn es ist Krieg in der Ukraine. Es ist Krieg in Europa.“

Bürgermeister aus Crailsheim und Ukraine
Jörg Steuler und Borys Karpus stehen Seite an Seite.

Sorge vor Gewöhnungseffekt
Angesichts der Umstände umso bemerkenswerter war es, dass auch der Bürgermeister der Partnerstadt Bilgorajs aus der Ukraine, Borys Karpus aus Nowowolynsk, nach Polen gereist war. Jörg Steuler gab ihm eine wichtige Botschaft mit: „Bitte nehmen sie mit nach Hause, dass Sie vor allem auf die Solidarität der Menschen in Crailsheim zählen können.“
Bilgorajs Bürgermeister Janusz Roslan warnte davor, dass der Krieg in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit bereits zu sehr in den Hintergrund trete. Schon im Dritten Reich hätten der Verfall und die menschenverachtende Stigmatisierung der jüdischen Bevölkerung in einem schleichenden Prozess stattgefunden, bei dem sich die Menschen an den Vorgang langsam gewöhnt hätten. Mit Verweis auf die Angriffe Russlands auf die Krim 2014 sowie Putins Handeln in Tschetschenien, Syrien, Georgien und jetzt Ukraine warnte Roslan eindringlich davor, dass bei den Menschen eine Gewohnheit eintrete: „Wir können keine Kompromisse mit dem Bösen eingehen und vor allem dürfen wir uns nicht an den Krieg gewöhnen. Denn wenn wir vergessen, wenn wir gleichgültig werden, fällt auch auf uns unverhofft ‚irgendein Auschwitz‘ vom Himmel!“

Bürgermeister Crailsheim und Bilgoraj
Bilgorajs Bürgermeister Janusz Roslan freute sich darüber Jörg Steuler persönlich in seiner Stadt begrüßen zu dürfen.

Dauerhafter Ausnahmezustand
Umso wichtiger sei es, als Gemeinschaft zusammenzustehen. Hier dankten alle Bürgermeister den Crailsheimer Bürgerinnen und Bürger, die bereits viele tausend Euro an Geld- sowie Sachwerten gespendet haben. Auch wenn derzeit In Nowowolynsk die Abläufe zur Versorgung der Geflüchteten strukturiert ablaufen, könne von einer Normalisierung nicht gesprochen werden. In der ursprünglich 55.000 Einwohner großen Stadt leben nun geschätzt 10.000 Menschen mehr, die insbesondere aus der Ostukraine stammen und vorwiegend in Schulen untergebracht sind. Karpus rechnet insbesondere im kommenden Herbst wieder mit einer Lagenverschärfung: „Der nach den Sommerferien angedachte Unterricht in Präsenz ist so nicht möglich, die Versorgung mit Gas ungewiss, ebenso wie die Möglichkeiten, solche Lieferungen und andere kommunale Aufgaben finanzieren zu können.“ Er befürchtet, dass je nach Kriegslage sich noch einmal so viele Menschen, wie bisher nach Nowowolynk geflüchtet sind.
„Spätestens dann müssen wir als europäische Gemeinschaft noch mehr zusammenstehen und zeigen, dass das Wohl der ukrainischen Bevölkerung uns eben nicht gleichgültig, sondern uns genauso wichtig ist, wie es im März und April der Fall war“, betont Jörg Steuler, der an Nowowolynsk einen Scheck zur Soforthilfe in Höhe von 500 Euro überreichte.
Auch wenn der Ukrainekrieg das beherrschende Thema war, fanden die Freunde Bilgorajs die Zeit, die Stadt kennenzulernen. Hierfür hatte die örtliche Verwaltung ein buntes Programm, bestehend aus Führungen sowie künstlerischen und musikalischen Auftritten, zusammengestellt. Steuler freute sich darauf, beim Kulturwochenende sowie Volksfest in den kommenden Wochen ebenfalls Vertreter aus Bilgoraj demnächst in der Horaffenstadt begrüßen zu dürfen.

(Erstellt am 29. Juni 2022)