Schule trifft Rathaus

Stadtspitze über Sport, Shopping, Verkehr und mehr

Ein älterer Mann mit Mikrofon in der Hand steht vor einigen Leuten
Sozial- & Baubürgermeister Jörg Steuler beantwortete Fragen zu seinem Dezernat.

Was bewegt die junge Generation in Crailsheim? Welche Wünsche, Fragen und auch Kritikpunkte haben Schülerinnen und Schüler an die Stadtspitze? Beim kommunalpolitischen Aktionstag „Schule trifft Rathaus“, organisiert von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB), bekamen 53 Achtklässlerinnen und Achtklässler der Realschule zur Flügelau die Gelegenheit, Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer und Bürgermeister Jörg Steuler persönlich auf den Zahn zu fühlen.

„Es ist jedes Jahr wieder schön, hier teilzunehmen“, sagte Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer eingangs und stellte sein Dezernat mit den verschiedenen Ressorts vor. Seine Kernaufgaben als Oberbürgermeister beschrieb er klar: Leitung der Verwaltung, Vorsitz im Gemeinderat und repräsentative Aufgaben. Auch Sozial- und Baubürgermeister Jörg Steuler erläuterte kurz seinen Bereich, in dem er zuständig ist für Sicherheit, Kultur und Bauvorhaben. Er scherzte: „Irgendwie bin ich bei uns beiden der ‚bad guy‘, weil ich die Themen betreue, die häufiger kontrovers diskutiert werden.“ Gleichzeitig betonte Steuler: „Mich interessiert heute sehr, was sie interessiert.“

Derya Janneh, Vertreterin des Jugendgemeinderats, erklärte ihre Rolle in der Stadtpolitik: „Wir vertreten euch im Gemeinderat, wir geben euren Anliegen eine Stimme in der Stadtpolitik.“ Sie erinnerte an die Briefkästen an den Schulen, über die Vorschläge eingereicht werden können.

Mehr Raum für Bewegung
Gleich zu Beginn richteten die Jugendlichen ihren Blick auf das Freizeitangebot in Crailsheim. Besonders beim Thema Sport gab es viele Wünsche: Mehr öffentliche Plätze für alle, mehr Vielfalt bei den Angeboten – zum Beispiel Badminton oder Calisthenics – und die Möglichkeit, sich Sportgeräte auszuleihen.

Sozial- & Baubürgermeister Jörg Steuler erklärte die aktuelle Situation: Viele Sportplätze seien an Vereine verpachtet. „Ein bisschen können wir schon beeinflussen, aber es ist auch das Ziel, dass nicht jeder immer Zutritt hat – wegen Vermüllung und Vandalismus, was ihr ja selbst auch angesprochen habt“, sagte er. Ein positives Beispiel sei der Sauerbrunnen, der immer öffentlich zugänglich sei. „Über einen Verleih von Sportgeräten kann man vielleicht mit dem Jugendbüro sprechen.“

Calisthenics-Anlagen sind laut Steuler bereits in Arbeit: Am Kreuzberg ist eine Anlage geplant, die sich aber durch Vandalismusschäden verzögert. Weitere Angebote für junge Leute entstehen im Zuge des Projekts „Östliche Innenstadt“ in der Nähe der Karlsberghalle. Zudem könnte bald die Sportanlage ESV aufgewertet werden – eine Entscheidung des Gemeinderats steht an. Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer ergänzte, dass auch beim Albert-Schweitzer-Gymnasium eine öffentlich nutzbare Außenanlage geplant sei. „Da entscheidet der Gemeinderat jetzt, welche Variante weiterverfolgt wird. Diese Fläche wird dann auch öffentlich nutzbar sein.“

Der Traum vom „jungen shoppen“
Auch das Thema Shopping stand bei den Jugendlichen wieder auf dem Zettel. Der Wunsch nach Läden wie H&M, Zara und mehr „jungem Leben“ in der Innenstadt wurde geäußert.

Jörg Steuler reagierte mit einem Schmunzeln: „Das Thema Shoppen haben wir jedes Jahr an dieser Stelle.“ Gleichzeitig machte er deutlich, dass die Stadtverwaltung bei der Ansiedlung von Geschäften nichts ausrichten kann: „Wir haben da null Einfluss.“ Entscheidend seien die privaten Eigentümer der Gebäude und die wirtschaftlichen Überlegungen der Handelsketten. Hinzu komme, dass viele Flächen in Crailsheim für große Ketten schlicht zu klein seien. Dr. Grimmer verwies auf die städtische Initiative mit den Pop-up-Stores, bei der die Stadt leerstehende Ladenflächen anmietet und günstiger an Start-ups oder neue Geschäftsmodelle weitervermietet: „Wir arbeiten daran, eine Frequenz für den Handel zu schaffen.“

Ein weiteres Thema im Zusammenhang mit der Innenstadt: Begrünung, Beschattung und Beleuchtung. Hier verwies Steuler auf die laufende Sicherheitsbefragung, deren Ergebnisse im Herbst vorgestellt werden sollen. „Da wird sich sicher das eine oder andere ergeben, dass bestimmte Plätze besser beleuchtet werden.“ Außerdem sei an der Bahnhofstraße-Unterführung eine Effektbeleuchtung geplant.

Luxusproblem oder echte Belastung
Beim Thema Verkehrsfluss sprachen die Schülerinnen und Schüler den täglichen Stau in der Stadt an – besonders morgens und abends. Die Frage: Warum gibt es keine zweispurigen Hauptstraßen?

„Es wundert mich, dass Sie für eine Autostadt werben, statt für bessere Bedingungen für Fahrräder“, meinte Steuler. Beide Bürgermeister stellten klar: Baulich sei das nicht möglich, der vorhandene Platz lasse eine Zweispurigkeit auf den zentralsten Straßen schlicht nicht zu. Allerdings arbeite die Stadt an Lösungen: Turbokreisel, wie in Roßfeld und am Bullinger Eck, seien geplant und sollten für Entlastung sorgen. Steuler relativierte das Stauproblem: „Der längste Stau in Crailsheim dauert 13 Minuten – und das auch nur in der Stoßzeit. Das ist im Vergleich mit anderen Städten wirklich ein Luxusproblem.“ Außerdem laufe aktuell ein Projekt zur besseren Ampelschaltung, um den Verkehrsfluss zu verbessern.

Oberbürgermeister Grimmer betonte: „Gerade morgens baut sich wohl ein Stresspegel auf, weil man zeitlich unter Druck steht – sei es auf dem Weg zur Schule oder zur Arbeit. Meine Bitte: Etwas mehr Zeit einplanen.“ Er wies zudem auf die wirtschaftliche Bedeutung Crailsheims hin: „Wir dürfen uns als drittgrößte Stadt der Region Heilbronn-Franken nicht kleiner machen als wir sind. Hier arbeiten mehr als 20.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, viele in weltweit agierenden Unternehmen. Sie alle wollen zur Arbeit und wieder nach Hause – das wirkt sich natürlich auch auf den Verkehr aus.“ Ein digitales Parkleitsystem ist derzeit in Arbeit, welches die Parkplatzsuche erleichtern soll.

Derya Janneh vom Jugendgemeinderat unterstützte die Aussagen der Stadtspitze und ergänzte, dass sich das Jugendgremium weiterhin für einen besseren Ausbau des ÖPNV und den Radverkehr stark mache.

Stellten sich den Fragen der RzF-Schülerinnen und -schüler (von links): Jugendgemeinderätin Derya Janneh, Sozial- & Baubürgermeister Jörg Steuler und Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer, der die Gäste herzlich begrüßte.

Dienstwagen, Lieblingsduft und Fußball
Wie jedes Jahr gab es auch wieder persönliche Fragen, die für viel Heiterkeit sorgten. So wollten die Jugendlichen wissen: Welches Parfüm die Bürgermeister benutzen? Grimmer antwortete schmunzelnd: „Auf die Frage bin ich nicht vorbereitet, ich muss mir so viel anderes merken“ – und musste erstmal überlegen, bevor er die drei seinerseits am häufigsten genutzten Düfte nennen konnte. Zum Alter des Sozial- & Baubürgermeisters gab es eine klare Antwort: „Ich bin 66 Jahre alt“, sagte Steuler. „Meine Kinder sind 32, 30 und 27 Jahre alt.“

Beim Thema Auto wurde es etwas ausführlicher: Grimmer erklärte, dass er sein eigenes Auto vor drei Jahren verkauft habe. „Für die Stadt ist es auch sinnvoller, dass ich mich über die Erstattung der privat gefahrenen Kilometer an der Finanzierung des Dienstwagens beteilige, als parallel selbst noch einen Wagen zu unterhalten. Steuler hingegen setzt privat auf Cabrio-Genuss, während er dienstlich ein vollelektrisches Fahrzeug fährt. Auch das Thema Gehalt interessierte die Schülerinnen und Schüler. Steuler nahm hier kein Blatt vor den Mund: „Ich verdiene mehr als andere – aber verglichen mit der freien Wirtschaft in einer vergleichbaren verantwortlichen Position wohl eher weniger.“

Und dann natürlich die alljährliche Frage: Fußball. Grimmer ist seit früher Kindheit Fan des FC Bayern München, während Steuler bekennender Unterstützer von Borussia Dortmund ist. „Fachlich und politisch sind wir fast immer einer Meinung, unsere größten Differenzen liegen glücklicherweise beim Fußball“, scherzte Grimmer.

Verantwortung und Lebenswege
Reflektiert beantworteten beide Bürgermeister die Frage nach ihrer Verantwortung. Christoph Grimmer sagte: „Ich schlafe besser als bei manchen früheren beruflichen Stationen, weil ich zum einen mehr eigene Verantwortung wollte und zum anderen im normalen Arbeitstag zu einem guten Teil selbst in der Hand habe, dass es funktioniert.“ Er betonte, dass zudem ein funktionierendes Team in der Stadtverwaltung unerlässlich sei. Auch Jörg Steuler sieht seine Aufgabe mit viel Herzblut: „Verantwortung macht Spaß. Es macht Spaß, Dinge zu entwickeln, auch wenn es Kritik gibt.“ Er ermutigte die Jugendlichen: „Junge Leute scheuen Kritik oft, aber wer das meidet, verpasst etwas.“

Zum Abschluss interessierte die Jugendlichen, wie beide Bürgermeister in die Kommunalpolitik gekommen sind. Grimmer berichtete von seinem früheren Traum, Sportmanager zu werden. Nach einem Studium in Hamburg arbeitete er zunächst als Journalist und als Lehrbeauftragter an Hochschulen, bevor er den Weg in die Politik fand. „Die Vorstellung, in meiner Heimatstadt etwas zu bewegen, hat mich begeistert“, sagte er. „Und jetzt mache ich das bald acht Jahre und bin nach wie vor inspiriert und motiviert wie am ersten Tag.“ Steuler hingegen kam über sein Interesse für Umwelt- und Klimaschutz zur Verwaltung. Nach Stationen in verschiedenen Behörden bundesweit leitete er über 20 Jahre das Bauamt in Neuwied, bevor es ihn nach Crailsheim verschlug.

Eine abwechslungsreiche Diskussion ging zu Ende. Lehrerin Anna Breitweg war begeistert vom Konzept: „Wir freuen uns sehr, dass auch das Rathaus – also Oberbürgermeister und Bürgermeister – mitmacht.“ Ihre Kollegin Sonja Krieger lobte die intensive Mitarbeit der Jugendlichen: „Die Schülerinnen und Schüler haben tolle Ideen erarbeitet und einen guten Einblick bekommen.“ Auch Rebecca Haas, die den Aktionstag für die LpB durchführte, zeigte sich beeindruckt: „Die Jugendlichen von der Realschule zur Flügelau haben überdurchschnittlich gut mitgemacht.“

Zum Abschluss bedankte sich Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer herzlich für die vielen Fragen und das Interesse an der Stadt: „So ein Austausch mit jungen Menschen ist für uns immer wertvoll. Und wer weiß, vielleicht können wir ja die eine und den anderen eines Tages in unserem Team bei der Stadtverwaltung als Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter begrüßen.“

Info: Das Format „Schule trifft Rathaus“ wurde erstmals im Januar 2017 im Rathaus Ulm durchgeführt und hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt durch vermehrten Einsatz von handlungsorientierten Methoden und einem hohen Maß an Schülerorientierung. Es nehmen weiterführende Schulen daran teil, die sich zu Beginn des Schuljahres bei den jeweiligen Außenstellen online anmelden müssen. Im Regierungsbezirk Stuttgart wurde das Format bisher 66 Mal in 19 Kommunen durchgeführt, was einen neuen Rekord bedeutet. Die Stadt Crailsheim ist seit 2020 dabei.

(Erstellt am 01. Juli 2025)