25 Jahre Freundschaft

Partnerschaftsjubiläum mit Bilgoraj und Jurbarkas

Ein Mann mit Amtskette steht an einem Rednerpult auf einer Bühne, davor lauschendes Publikum
Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer begrüßte allen Anwesenden mit herzlichen Worten.

Mit einem festlichen Wochenende und einer internationalen Partnerschaftskonferenz beging die Stadt Crailsheim das 25-jährige Bestehen ihrer Städtepartnerschaften mit Bilgoraj (Polen) und Jurbarkas (Litauen). Im Zentrum stand dabei nicht nur das Jubiläum, sondern auch der Blick in die gemeinsame Zukunft – getragen von einem Miteinander über Landesgrenzen hinweg.

„Städtepartnerschaften sind heute mehr denn je ein wertvoller Bestandteil unserer kommunalen Identität und internationalen Verantwortung“, betonte Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer in seiner Eröffnungsrede im Rahmen des Festakts die besondere Bedeutung dieser internationalen Verbindungen. Seit dem Jahr 2000 bestehen die offiziellen Partnerschaften mit Bilgoraj und Jurbarkas, die sich seitdem zu festen Säulen im internationalen Netzwerk Crailsheims entwickelt haben. Gemeinsam mit Worthington (USA, seit 1947) und Pamiers (Frankreich, seit 1969), die jeweils per Videobotschaft vertreten waren, bildeten die fünf Städte ein „Netzwerk des Vertrauens, der Freundschaft und der kulturellen Verbundenheit“, wie Grimmer es formulierte.

Voneinander lernen auf Augenhöhe
In seiner Rede hob der Oberbürgermeister hervor, dass solche Partnerschaften weit mehr seien als formale Abkommen: Sie seien Ausdruck gelebter Völkerverständigung – gerade in Zeiten globaler Krisen und politischer Spannungen. „Sie schaffen Räume der Begegnung, in denen Menschen auf Augenhöhe zusammenkommen, voneinander lernen und einander verstehen – auch wenn es nicht selten einen muttersprachlichen Übersetzer braucht“, sagte Grimmer augenzwinkernd und mit Dank an alle Beteiligten. Musikalisch wurde die Konferenz im Ratssaal vom Chor und den Musikern des Albert-Schweitzer-Gymnasiums umrahmt.

Die Konferenz bildete den inhaltlichen Höhepunkt eines vielseitigen Festprogramms, das bereits am vorausgegangenen Freitag mit einem „Markt der Partnerstädte“ auf dem Wochenmarkt sowie Stadtführungen begonnen hatte. Der kleine internationale Markt im Rahmen des Wochenmarkts war gut besucht und viele Bürgerinnen und Bürger probierten kulinarische Spezialitäten aus den Partnerstädten, die federführend von den jeweiligen Komitees organisiert wurden. Auch diesen dankte Oberbürgermeister Grimmer für ihr teils jahrzehntelanges ehrenamtliches Engagement. Am

Samstagabend folgte ein feierliches Konzert der Stadtkapelle Crailsheim im HANGAR, das musikalisch durch die Partnerländer führte. „Fantastisch! Nicht nur unsere ausländischen Gäste waren an diesem Abend total begeistert vom Repertoire und der Klasse unserer Stadtkapelle“, berichtete Grimmer. Am Sonntagmorgen folgte schließlich ein ökumenischer Gottesdienst in der Johanneskirche.
Der inhaltliche Fokus der Konferenz lag auf dem gemeinsamen Dialog zu historischen Erfahrungen und der Verantwortung für kommende Generationen. Bildung, Jugend, Kultur, Sport und nachhaltige Stadtentwicklung standen dabei im Mittelpunkt. „Gerade im kommunalen Bereich können diese Partnerschaften Brücken schlagen – zwischen Nationen, Kulturen und Generationen“, so Grimmer.

Ein großer Saal voller Menschen, auf der Bühne ein Orchester
Das Konzert der Stadtkapelle im HANGAR war sehr gut besucht und sorgte für begeisterten Beifall.

Besonderer Dank an Organisatoren
Besonderen Dank sprach der Oberbürgermeister den Mitarbeitenden der Stadtverwaltung aus dem Ressort Soziales & Kultur aus, die das Jubiläum mit großem Engagement vorbereitet hatten. Auch würdigte er all jene, die sich über viele Jahre hinweg mit persönlichem Einsatz für die Städtepartnerschaften engagiert hatten: „Ihr Beitrag sind die Wurzeln und das Wasser, das die Pflanze unserer Freundschaft wachsen lässt.“

Diesem Dank schlossen sich die anwesenden Amtskollegen aus Jurbarkas und Bilgoraj an. „Freundschaft ist etwas, das in unseren Herzen wächst, unabhängig von der Distanz, die uns trennt“, zitierte Bürgermeister Wojciech Gleń den Schriftsteller Hermann Hesse – ein Zitat, das für ihn sinnbildlich für die Beziehung zwischen Crailsheim und Bilgoraj stehe, sagte Bilgorajs Gleń. Die Partnerschaft habe nicht nur geografische Distanzen überbrückt, sondern auch „viel Freude und gegenseitige Unterstützung in schwierigen Zeiten“ ermöglicht. Die Wurzeln der Partnerschaft reichen in die 1990er-Jahre zurück, als erste wirtschaftliche Kontakte geknüpft wurden.

„Offiziell begann alles am 16. September 2000 mit der Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrags“, so Gleń. Dabei würdigte er den verstorbenen Oberbürgermeister Andreas Raab und den heutigen Komitee-Vorsitzenden Manfred Salinger, die sich früh und mit großem Engagement für die Verbindung der beiden Städte eingesetzt hatten. „In einer Zeit, in der das Internet vieles ermöglicht, sind es doch Gespräche und gemeinsame Erlebnisse, die Brücken bauen“, so Gleń. Der Schüleraustausch mit dem Albert-Schweitzer-Gymnasium, kulturelle Projekte und gegenseitige Unterstützung seien Ausdruck einer Partnerschaft, die mit Leben gefüllt wurde.

Dazu lud Gleń eine Crailsheimer Delegation ein, das Jubiläum auch in Bilgoraj mitzufeiern – beim traditionellen Kulturfest im Juni. „Unsere gemeinsame Geschichte ist erst der Anfang“, sagte er, „und wir sind überzeugt, dass künftige Generationen sie mit ebenso viel Herzblut fortsetzen werden“.

Das gelte auch für Jurbarkas, meinte Bürgermeister Skirmantas Mockevičius. „Tatsächlich begann die Bekanntschaft schon vor 34 Jahren, im Jahr 1991, mit dem Besuch einer Jugendgruppe aus Jurbarkas in Crailsheim“, berichtete er. Die damalige Initiative sei aus der Zusammenarbeit zwischen dem litauischen Politiker Antanas Račas und dem deutschen Bundestagsabgeordneten Dr. Wolfgang von Stetten, Generalkonsul Litauens, entstanden. Die Jugendlichen seien herzlich aufgenommen und intensiv unterstützt worden – insbesondere durch den engagierten Crailsheimer Gottlob Lober: „Sie fühlten sich durch Herrn Lober ermutigt, gestärkt und bei ihm bestens aufgehoben.“

Sechs Menschen sitzen im Halbrund auf einer Bühne
Bei der Podiumsdiskussion ging es um die Vergangenheit der drei Städte, aber vor allem um die gemeinsame Zukunft (von links): Moderator Dennis Arendt, Übersetzer mit Historiker Adam Balicki aus Bilgoraj, Bürgermeister Skirmantas Mockevičius aus Jurbarkas mit Übersetzerin und Dr. Helga Steiger vom Crailsheimer Stadtarchiv.

Der Horaff in Litauen
Die offizielle Partnerschaft wurde 2000 besiegelt, doch längst war daraus eine enge Verbindung auf vielen Ebenen gewachsen. Heute liege der Fokus besonders auf dem kulturellen Austausch. Zahlreiche Künstlerinnen und Künstler aus beiden Städten hätten über die Jahre Brücken geschlagen. Ein charmantes Beispiel für die Tiefe dieser Verbindung lieferte der Bürgermeister mit einer augenzwinkernden Anekdote: Der Crailsheimer „Horaff“, das traditionelle Hefegebäck, habe es bis nach Jurbarkas geschafft – samt sprachlichem Abdruck. „Ein neues Wort ist durch Sie in die litauische Sprache gekommen – horafas“, so Mockevičius. Zwar sei der Geschmack nicht ganz derselbe, räumte er ein, „aber in der Form ist er wirklich ähnlich“. Einige Frauen aus der Region hätten bereits gelernt, wie man ihn backt.

Zum Abschluss betonte Mockevičius, wie wichtig es sei, an der gemeinsamen Zukunft zu arbeiten: „Die Welt verändert sich – und mit ihr auch wir. Aber das, was uns verbindet, bleibt.“ Ziel bleibe es, das freundschaftliche Miteinander zu pflegen – im Sinne eines friedlichen Europas.

Historische Gegebenheiten
Zum gemeinsamen Jubiläum blickten die drei Städte auch in ihre eigenen Vergangenheiten, die dem Publikum im Ratssaal in drei interessanten Vorträgen nähergebracht wurde. Darüber wird in der kommenden Stadtblattausgabe ausführlich berichtet. Die Städte haben Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede, was in der Podiumsdiskussion, moderiert von Dennis Arendt, nochmals herausgearbeitet wurde. Beispielsweise wurden alle drei Städte im Zweiten Weltkrieg zerstört.

„Allerdings hatte Crailsheim davor sehr wenig mit dem Krieg zu tun, im Gegensatz zu Bilgoraj, das deutlich länger vom Kriegsgeschehen und der Besatzung betroffenen war“, erklärte Dr. Helga Steiger vom Crailsheimer Stadtarchiv. Hier begannen der Wiederaufbau und die Aufarbeitung der Gräueltaten des NS-Regimes recht schnell. In Jurbarkas und Bilgoraj ließ das der Kommunismus unter russischer Besatzung nicht zu. „Bei uns begann das erst ab etwa 1990“, erklärte Bürgermeister Skirmantas Mockevičius. Seitdem erinnern auch die beiden Partnerstädte an die zahlreichen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die im Dritten Reich deportiert wurden. In allen drei Städten wurde die Synagoge zerstört. In Bilgoraj und Jurbarkas durch die Nazis, in Crailsheim tatsächlich erst durch den Luftangriff der Alliierten. „Die Bebauung war damals sehr eng“, so Helga Steiger, „sodass es den Nationalsozialisten zu riskant war, die Synagoge zu zerstören, geschändet wurde sie leider trotzdem.“

Dennis Arendt sprach auch aktuelle Ereignisse an, die die Partnerstädte ebenfalls noch enger zusammenbrachte. Beispielsweise die Hilfe aus Bilgoraj für das kriegsgebeutelte Nachbarland Ukraine, dessen Grenze in Sichtweite liegt. „Da wurde deutlich, wie wichtig der persönliche Austausch ist, statt sich nur auf die tägliche Nachrichtenflut oder eine Schlagzeile zu verlassen“, meinte Helga Steiger. Der Wunsch für die Zukunft aller bestand darin, die Partnerschaften weitere 25 Jahre und länger wachsen zu lassen, dass die folgenden Generationen ebenso davon profitieren können und die Freundschaft lebendig halten, „sodass wir zum 50. Bestehen sagen können, es hat funktioniert“, meinte Adam Balicki, Historiker aus Bilgoraj. Und Helga Steiger meinte abschließend: „Durch solche Städtepartnerschaften wächst ein Netz der Solidarität. Daran sollten wir immer weiterweben.“

Viele Menschen auf einer Bühne lächeln in die kamera, vorne stehen zwei Draisräder
Bilgoraj und Jurbarkas erhielten jeweils ein Crailsheimer Draisrad als Gastgeschenk, mit denen die jeweiligen Delegationen und die Crailsheimer Komitees zum gemeinsamen Foto die Bühne füllten.

Draisräder und Goldenes Buch
Nach der Podiumsdiskussion der drei Partnerstädte Bilgoraj, Jurbarkas und Crailsheim setzte Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer im Namen der Stadt Crailsheim ein Zeichen der Verbundenheit: Er überreichte den Gästen aus Polen und Litauen jeweils ein Draisrad – eine Hommage an das traditionsreiche Draisradrennen, das seit mehr als 50 Jahren fester Bestandteil des Crailsheimer Volksfests ist. Zudem trugen sich die Bürgermeister der Partnerstädte stellvertretend für die Bürgerschaft der beiden Städte feierlich in das Goldene Buch der Stadt ein. Damit würdigte Crailsheim die jeweils 25-jährige Partnerschaft und das langjährige, engagierte Miteinander auf kommunaler Ebene. Dafür revanchierten sich die Partnerstädte und überreichten ebenfalls Geschenke.

Oberbürgermeister Grimmer beschloss die erste Partnerschaftskonferenz in Crailsheim mit einem optimistischen Blick nach vorn: „Ich wünsche mir, dass wir diesen wertvollen Austausch auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten fortführen.“

(Erstellt am 01. April 2025)